Ein Exempel in der Praxis: Bürgerbeteiligung in Wuppertal

– Ein Kommentar unorganisierter, autonom denkender Piraten –

 

Die Diskussion um die Kostensteigerungen beim Projekt Döppersberg zeigen die Defizite und Fehler im geltenden Recht zur Bürgerbeteiligung in Land NRW überdeutlich auf. Auf der einen Seite werden Krokodils Tränen über die „Politikverdrossenheit“ der Bürger vergossen, auf der anderen Seite schaffen die gleichen Personen und Gruppierungen Gesetze, die auf den ersten Blick ganz nett aussehen, letztlich aber in ihrer Wirkung eine Beteiligung des Volkes am politischen Prozess und an Entscheidungen stark behindern.

Im konkreten Fall geht es um Kostensteigerungen im städtebaulichen Projekt „Döppersberg“. Nun sind Kostensteigerungen bei Großprojekten zwar immer ärgerlich, aber die tägliche Praxis begründet schon fast so etwas wie ein Gewohnheitsrecht dazu. In Kenntnis dessen hat der Rat der Stadt Wuppertal bei der Grundsatzentscheidung für den „Döppersberg“ eine Deckelung der Kosten für die Stadt beschlossen, dergestalt, dass allfällige Kostensteigerungen innerhalb des Projekts durch Anpassungen aufzufangen seien.

Nun aber fordert die Stadtspitze mit der Vorlage VO/1002/13 die Bereitstellung weiterer Mittel in Höhe von 34,9 Mio. € aus dem städtischen Haushalt vom Rat. Bei ursprünglich angesetzten Gesamtkosten von 105 Mio. € „ein ganz klein wenig mehr“, als die üblicherweise in Ursprungsansätzen „vergessenen“ Portokosten. In der politischen Dimension heißt das nichts anderes, als dass die Stadtregierung dem Rat am 18. November 2013 abverlangt, gegenüber seinen Wählern wortbrüchig zu werden. Dass in den vorgelegten Papieren dann noch mit kleinen schmutzigen Verwaltungstricks, wie dem Weglassen von Absätzen aus dem Ursprungsbeschluss gearbeitet wird, sind nur Petitessen am Rande, die wir hier vernachlässigen wollen.

Wichtiger ist, dass die Bürger im demokratischen Gemeinwesen durch solches Vorgehen eben nicht verdrossen, sondern politisiert werden – dabei aber eine PolitikERverdrossenheit entwickeln. Das Mittel der Wahl scheint ein kassatorisches Bürgerbegehren und gegebenenfalls ein ebensolcher Bürgerentscheid nach §26 GO NW, für deren Beantragung und Durchführung sich die Initiative Döpps105 bildete. Das Gesetz in NRW ist aber leider sehr restriktiv und die gängige Rechtsprechung dazu noch einschränkender, so dass nach eingehender Literaturrecherche jetzt schon, bevor es eigentlich los geht, feststeht, dass das Bürgerbegehren „Döpps105“ nicht zulässig und somit als formaljuristisch gescheitert zu betrachten ist. Der Grund liegt darin, dass es sich bei dem „35 Mio. Beschluss“ um einen Ausführungsbeschluss zu einem Grundsatzbeschluss aus dem letzten Jahrzehnt handelt, dessen Anfechtbarkeit schon lange verfristet ist. Wir halten fest: Die GO NW schränkt Bürgerbeteiligung auf einige Grundsatzbeschlüsse ein und verunmöglicht dem Bürger – also meistens dem (Steuer-)Lastenträger – die Korrektur jahre- und jahrzehntealter Fehlentscheidungen. Ob das Projekt Döppersberg per se eine Fehlentscheidung war, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Dass aber Kostensteigerungen von rund einem Drittel für eine vollkommen überschuldete Gemeinde nicht akzeptabel sind, zumal vom Rat versucht wurde dagegen Vorsorge zu treffen, findet nicht unerhebliche Zustimmung in der Bürgerschaft. Diese wird noch zunehmen, wenn sich herum gesprochen hat, dass ein wesentlicher Teil dieser Mehrkosten sehr wahrscheinlich durch schlecht nachvollziehbare Handlungen der Stadtspitze selbst verursacht wurden. Auch die Unterzeichner repräsentieren unterschiedliche Auffassungen zum Projekt, sind sich aber in den Punkten einig, dass

1) Bei einem Beschluss mit solch immensen finanziellen Auswirkungen auf das gesamte Stadtleben, der Bürger direkt zu  entscheiden haben muss.

2) Die Partizipationsmöglichkeiten in der GO NW dringend auf einen zeitgemäßen, demokratischen Stand gebracht werden müssen.

3) Die Unkenntnis der Bürger über Ihre Mitgestaltungsrechte unbedingt behoben werden muss. Es kann nicht sein, dass der Bürger immer wieder in die Falle einer abgelaufenen Frist stolpert, weil ihm zum Zeitpunkt der ersten Weichenstellung sowohl die Kenntnis der Rechtslage wie auch der Konsequenzen des jeweiligen Ratsbeschlusses fehlen.

 

„Formaljuristisch gescheitert“ bedeutet für Döpps105 aber nicht „politisch gescheitert“. Denn so irreversibel und „alternativlos“, wie von interessierter Seite derzeit dargestellt, ist der Beschluss über die Mehrkosten nicht. Zum einen kann der Rat ganz einfach keinen oder einen anderen Beschluss fassen, was allerdings angesichts der derzeitigen Mehrheitsverhältnisse utopisch erscheint. Zum anderen kann der Rat nach §26, Abs. 1, Satz 2 selber die Durchführung eines Bürgerentscheids herbeiführen – einen Ratsbürgerentscheid. Mit dem Aktenzeichen VO/0845/13 liegt dem Rat auch schon ein einschlägiger Antrag vor. Hier sind die Hürden für die benötigte Mehrheit mit zwei Dritteln zwar noch höher, aber zuvorderst müssen sich die Oppositionsparteien fragen lassen, ob ihnen ideologische Glaubensätze und Konkurrenzdenken oder der Bürgerwillen wichtiger ist. Und auch die Vertreter der Mehrheitsparteien stehen vor der Entscheidung zwischen Interessenwahrung ihres Machtkartells oder Vertrauen in die Entscheidungskompetenz der Menschen, die ihnen diese Macht überhaupt erst verliehen haben. Alle miteinander werden aber letztlich dem Bürgerentscheid nicht entkommen können, denn dem Urteil, welches im Mai 2014 in Form der Kommunalwahl über ihre Arbeit gesprochen wird, können sie nicht entgehen. Für den Bürger wiederum ist es bei dieser Wahl dann so einfach wie sonst bei wenigen Wahlen: Er kann seine Entscheidung für oder gegen eine Partei davon abhängig machen, ob sie ihn bei der Kostenexplosion vom Döppersberg um Rat fragen wollte und ernst nahm oder nicht.

 

Arnim v. Herff
Marcus Brink
Stefan Kottas


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